Gender Intelligence Report 2025: Schweizer Unternehmen befördern nicht immer die Besten
Medienmitteilung
Der neue Gender Intelligence Report 2025 zeigt: Die Vorstellung von fairen Aufstiegschancen ist weitgehend ein Mythos in der Schweiz – und das könnte Unternehmen bis zu 5 Milliarden Franken kosten. Einer der Hauptgründe ist mangelnde Transparenz in den Beförderungsprozessen.
Zürich, 18. September 2025 – «Bei uns steigen die Besten auf – es kommt allein auf Leistung und Potenzial an.» Diese Meinung ist in der Schweizer Wirtschaft weit verbreitet. Doch die Realität sieht anders aus: Schon bei der ersten Beförderungsstufe werden Frauen systematisch weniger berücksichtigt, obwohl sie gleichermassen qualifiziert sind. Dies und weitere Erkenntnisse zeigt der neue Gender Intelligence Report von Advance und der Universität St. Gallen, der heute in Zürich vorgestellt wird.
Die Realität: Meritokratie funktioniert bereits bei der ersten Kaderstufe nicht
Die Zahlen sind eindeutig: Während Frauen und Männer in Nicht-Kaderpositionen noch zu nahezu gleichen Teilen vertreten sind, kippt das Verhältnis schon bei der ersten Beförderung – ein Effekt, der sich mit steigender Hierarchiestufe verstärkt.
In sechs von acht Branchen werden Frauen deutlich seltener befördert als ihr Anteil an der Belegschaft erwarten liesse. Besonders auffällig sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Die grössten «Beförderungsgraben» zeigen sich im öffentlichen Sektor (17 Prozentpunkte Unterschied), in der Beratung (15 Prozentpunkte) sowie im Bankensektor (11 Prozentpunkte) und im Gesundheitswesen (9 Prozentpunkte). «Meritokratie sieht anders aus», sagt Dr. Ines Hartmann, Direktorin des Competence Centers für Diversity, Disability, and Inclusion (CCDI) an der Universität St. Gallen. «Damit das Leistungsprinzip wirklich funktioniert, braucht es echte Chancengleichheit sowie Objektivität und Transparenz bei den Beurteilungskriterien. In beiden Bereichen gibt es in vielen Firmen noch viel Luft nach oben».

Grafik: Talent-Pipeline nach Branchen in der Schweiz: Sie zeigt den Frauenanteil im Nicht-Kader im Verhältnis zum Frauenanteil in der ersten Beförderungsstufe (Gender Intelligence Report 2025)
Arbeitnehmende fordern klareres Bekenntnis zu Fairness
Was erwarten Arbeitnehmende von ihrem Arbeitgeber? Antworten liefert eine schweizweite Befragung von über 600 berufstätigen Personen in der Schweiz, die Advance und CCDI diesen Frühling durchgeführt haben. 61 Prozent der Beschäftigten halten ein Engagement für Chancengleichheit, Inklusion und Diversität (DEI) für sehr wichtig – aber nur 23 Prozent haben das Gefühl, dass ihr Arbeitgeber das auch so sieht. «Hier klafft eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Realität. Arbeitnehmende erkennen DEI klar als Schlüssel zu Fairness und meritokratischen Strukturen – das schafft Vertrauen und stärkt die Loyalität», fügt Hartmann an.
27% der befragten Arbeitnehmenden ziehen einen Arbeitgeberwechsel in Betracht
Die mangelnde Chancengleichheit bleibt nicht ohne Konsequenzen: 27% der befragten Arbeitnehmenden würden ihren Arbeitgeber wechseln für ein Unternehmen, das sich stärker für DEI einsetzt. Hochgerechnet auf die untersuchte Datenmenge von über 90 Firmen in der Schweiz könnten dadurch Fluktuationskosten von bis zu 5 Milliarden Franken entstehen. «Wenn 56 Prozent der weiblichen Talente keine fairen Entwicklungsmöglichkeiten sehen, vergeben wir uns ein enormes Potenzial», warnt Alkistis Petropaki, Geschäftsführerin von Advance.
Der Glass Ceiling Index spricht Klartext
Unternehmen, die bewusst auf Chancengleichheit und Inklusion setzen, schneiden beim Glass Ceiling Index* (GCI) eindeutig besser ab: Bei den Mitgliederfirmen von Advance liegt der Index bei 1.8. Damit ist die gläserne Decke wesentlich durchlässiger als jene bei der Vergleichsgruppe mit Index 2.8. Der Idealwert liegt bei 1, je höher der Wert, desto dicker die gläserne Decke für Frauen. Auch zwischen den Branchen gibt es signifikante Unterschiede: Während die gläserne Decke im Gesundheitswesen trotz ihres hohen Frauenanteils mit Index 4.8 am ausgeprägtesten ist, sind die Hürden für Frauen auf dem Weg ins Kader in der Pharma- und Tech-Branche (Index 1.4 bzw. 1.2) deutlich geringer.

Glass Ceiling Index (mittleres/oberes Kader) für das Gesamtsample und nach Branchen

Glass Ceiling Index der Advance-Mitglieder im Vergleich zu Firmen, die nicht bei Advance angeschlossen sind.
Was jetzt zu tun ist
Die Lösung liegt in dem, was die Studienautorinnen «Inclusive Meritocracy» nennen: Damit echte Meritokratie gelingt, hält der Report konkrete Empfehlungen bereit. Hier die Top-Drei:
- Beförderungskriterien klar messbar und transparent gestalten und breit zugänglich machen
- Objektive Beurteilungsverfahren mit quantitativen und qualitativen Methoden einbeziehen
- Talente, die in Teilzeit arbeiten, nicht per se als «beförderungsunwürdig oder -unwillig betrachten»
«Bei DEI geht es nicht darum, Standards zu senken oder Privilegien zu verschieben», erklärt Hartman, «sondern eine Firmenkultur zu schaffen, in der Menschen gerne einen Beitrag leisten, sich weiterentwickeln und Höchstleistungen erbringen können. Nur so können Unternehmen sicherstellen, dass sie innovativ bleiben und die Produktivität steigern.» Führungskräften kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu.
Der Business Case ist offensichtlich
«Inklusive Meritokratie ist kein ‘Nice-to-have’, sondern ein ‘Must-have’», fasst Petropaki zusammen. «Unternehmen, die dies verstehen, bekommen nicht nur die besten Talente – sie behalten sie auch.»
Der Gender Intelligence Report 2025 basiert auf der Analyse von 376'000 anonymisierten Mitarbeitenden-Daten von über 90 Unternehmen (das entspricht rund 7% der Schweizer Erwerbsbevölkerung) sowie einer zusätzlichen Befragung von über 600 Arbeitnehmenden in der Schweiz.
Weiterführende Informationen
Den vollständigen Bericht finden Sie ab 18. September, 13:00 Uhr unter: www.advance-hsg-report.ch.
Neue «Best Practices» von Unternehmen
Zusammen mit dem Report 2025 werden auch zehn neue Initiativen und Fallbeispiele aus Unternehmen vorgestellt – alle von ihnen sind Mitglied bei Advance: ABB, Alpiq, Axpo, DSM Firmenich, KPMG, MSD, SBB, und Swiss Re. Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen von Schweizer Unternehmen. Die Autor:innen sind gerne bereit für weiterführende Auskunft. Die Kontaktangaben finden Sie bei den jeweiligen «Best Practices»: www.advance-hsg-report.ch/en/best-practices/
Medienkontakt
Alexandra Rhiner, Kommunikationsleiterin Advance | alexandra.rhiner@weadvance.ch, Tel. 076 332 85 83
*Der Glass Ceiling Index (GCI) sagt aus, ob Männer und Frauen gemäss ihren jeweiligen Anteilen in der Gesamtbelegschaft im Kader vertreten sind, oder ob sie unter- bzw. überrepräsentiert sind. Der aktuelle GCI von 2.1 für das gesamte Sample besagt, dass Männer im Kader 2.1-Mal stärker repräsentiert sind als ihr Anteil in der Belegschaft.
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