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Ruhe bewahren und nicht in alte Muster verfallen

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Führung ist anstrengend und gute Führung braucht Zeit. Je komplexer und unsicherer das Umfeld wird, desto mehr besteht die Gefahr, dass wir uns auf einfache Rezepte und alte Muster zurückziehen. Die damit verbundene Scheinsicherheit kann aber schnell gefährlich werden. Inklusive Führung ist kein Schönwetterprogramm.

Helden sind wieder gefragt

Wenn man sich derzeit umblickt, hat man das Gefühl, dass wieder vermehrt die «alten Hasen» und «Helden» gesucht sind, wenn anspruchsvolle Führungspositionen neu zu besetzen sind. Kein Zufall, dass das mit einem höheren Männeranteil bei Beförderungen verbunden ist, denn traditionellerweise wird Führung immer noch häufiger mit Männern assoziiert. Der grosse, starke Mann ist wieder im Trend. Unter Stress reagieren wir Menschen mit einem Rückgriff auf gelernte Muster, denn das spart Energie und gibt uns scheinbar Sicherheit. Unser Gehirn schaltet sozusagen den Autopiloten ein. So fühlen wir uns wohler, wenn Personen das Ruder übernehmen, die Stärke, Zuversicht und Selbstbewusstsein ausstrahlen, die klar sagen, was zu tun ist und so Sicherheit vermitteln. So wichtig diese Eigenschaften sein mögen – sie können in komplexen Kontexten zu kurz greifen oder sogar gefährlich werden.

Reflexion, Selbstzweifel und Empathie sind kein Nachteil

Manchmal frage ich mich, ob neue Führungsverständnisse - wie z. B. inklusive Führung - nur Schönwetterprogramme sind. Inklusive Führungskräfte zeichnen sich durch folgende Fähigkeiten aus, um einige beispielhaft zu nennen: Sie hinterfragen den Status Quo, sie sind bescheiden in Bezug auf ihre eigenen Fähigkeiten, sie hören zu, ohne zu urteilen, sie können Fehler zugeben, sie kennen ihre persönlichen Muster und sie sind flexibel, wo es notwendig ist. Zudem schaffen sie ein Klima von psychologischer Sicherheit. Eigentlich sind das doch genau die Fähigkeiten, die wir in besonders herausfordernden Zeiten brauchen würden. Denn wenn keine Zeit mehr für Reflexion und Selbstzweifel ist, wird es gefährlich. Dann laufen wir kollektiv in den Abgrund. Damit meine ich nicht Entscheidungsschwäche, sondern innehalten, zurücktreten, um eine andere Perspektive zu bekommen und vor allem möglichst gut zuzuhören – dem Team und anderen Stakeholdern.

Teams brauchen psychologische Sicherheit und Transparenz

Doch wir können nur zuhören, wenn jemand etwas sagt oder besser sich zu sagen getraut, wenn Ideen und Kritik auch gewünscht sind. Diese Speak-up-Culture haben wir leider nicht überall. Gerade in sehr hierarchischen Organisationen, wo die Helden nicht kritisiert werden (wollen), ist sie nicht selbstverständlich. Und wenn die Angst aufgrund von Unsicherheit oder auch Abhängigkeit (z. B. von Assistenzärztinnen und -ärzten von ihren Vorgesetzten in Spitälern) unter den Mitarbeitenden steigt, steigt auch das Risiko, dass die guten Ideen nicht mehr eingebracht werden. Psychologische Sicherheit erfordert gegenseitiges Vertrauen. Das muss zuerst erarbeitet werden. Dazu gehört auch Transparenz von Führungsseite. Die gute alte Strategieliteratur gibt hier klare Hinweise: Kommunizieren was klar ist und entschieden wurde und auch offen sagen, was noch nicht entschieden wurde und wann diese Entscheidungen zu erwarten sind. Dann steigen auch die Chancen, dass die Teammitglieder und andere Stakeholder ihre Ideen und Bedenken rechtzeitig teilen. Denn gerade in komplexen Umfeldern ist es wichtig, möglichst viele und diverse Perspektiven und Beiträge einzubeziehen.

Strukturen und Prozesse hinken bei steigender Komplexität oft hinterher

Kommunikation ist zentral, aber oft sind bisherige Prozesse oder Standards hinderlich, um rasch und angemessen zu kommunizieren und zu handeln. Komplexität schlägt man nur mit Diversität und Flexibilität. Das gilt auch für Prozesse und Strukturen. Ein einziger, bisher geltender Prozess passt dann nicht mehr. Dann sind mutige Führungskräfte gefragt, die den gesunden Menschenverstand einschalten und sich z. B. selbst fragen: «Wie würde ich denn gerne in dieser Situation geführt werden, war wäre mir wichtig, dass kommuniziert wird und wie?» Dabei bleiben Anstand und Menschlichkeit das tragende Fundament.

In einem Interview mit der ARD sagte Jacinda Ardern, eh. Premierministerin von Neuseeland: « Menschlichkeit und Anstand, das sind die Eigenschaften, die alle Mächtigen mitbringen sollten – Frauen wie Männer.» Das gilt besonders für Führungspersonen in komplexen Zeiten.

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